Bis zum provisorischen Gemeindegesetz von 1849 gab es keine Gemeinden im heutigen Sinn. Das Dorf als die ursprüngliche Wirtschaftsgemeinde der Grundherrn war die Vorläuferin der Gemeinden als rechtliche und wirtschaftliche Organisationsform. Die Dörfer waren Teile der "Herrschaften" und unterstanden ihrem Grundherrn. Er war Inhaber der Dorfgerichtsbarkeit mit dem Recht, einen Dorfrichter zu ernennen. Der Dorfrichter war unter anderem Mittelsperson zwischen den Untertanen und dem Grundherrn. Weil dieses Amt mit einer gewissen Haftung für die vom Grundherrn oft willkürlich geforderten Abgaben (Zehent, Robot usw.) verbunden war, wurde es oft nur ungern angenommen.
Unter Maria Theresia begann man durch Erfassen der Häuser mit ihren Grundstücken allgemeingültige steuerliche Messbeträge zu errechnen. 1770 erfolgte die Nummerierung der Häuser. Damit wurde für den unter Kaiser Joseph II. 1787 angelegten Steuerkataster die Grundlage gelegt. Ein Nummerierungsabschnitt schloss 40 - 50 Häuser und Besitzungen ein. Auf dieser Basis und dem Franziszeischen Kataster ist somit das wichtigste kartographische Werk, das den ursprünglichen Kern eines Ortes angezeigt.
Die Katastralgemeinde war eine zur Grundsteuerveranlagung abgegrenzte Verwaltungseinheit und wurde in einem Grundbuch zusammengefasst.
Auf Antrag des schlesischen Abgeordneten Hans Kudlich beschloss im Jahre 1848 der Reichstag am 1. September die Aufhebung des Untertanenverhältnisses und aller daraus abgeleiteten Rechte der Grundherren. Die Bauern wurden von Zehent und Robot entlastet und die Grundherrschaft ihrer Funktion als Verwaltungs- und Gerichtsinstanz weitgehenden Befugnissen der Selbstverwaltung ausgerüstete Ortsgemeinden gebildet werden. Aber wie? Nach einem Vorschlag sollten die Pfarrgemeinden als Grundlage der neuen Organisationsform dienen, weil sie bereits auf einer faktisch bestehenden, natürlichen Grundlage beruhten und so eine gewachsene, historische Einheit bildeten.
Man griff aber dann doch auf die schon als unterste Verwaltungseinheit bestehenden Katastralgemeinden zurück. Es sollten daher eine oder mehrere Katastralgemeinden eine neue Ortsgemeinde bilden. Herr Hofrat Stundner schreibt darüber in dem Buch "Piesting im Wandel der Zeit" auf Seite 147 folgendes:
"Das Piestingtal sollte in seiner Verwaltung in vier sogenannte "Ortsgemeinden" eingeteilt werden: Gutenstein, bestehend aus der Katastralgemeinde gleichen Namens; Pernitz sollte die Katastralgemeinden Pernitz, Feichtenbach, Neusiedl; Waidmannsfeld mit Miesenbach und Muggendorf umfassen; Wopfing sollte die Katastralgemeinden Wopfing mit Oed, Peisching mit Waldegg und Dürnbach zu einer kommunalen Einheit vereinigen.
Schließlich sollte die Ortsgemeinde Piesting aus den Katastralgemeinden Piesting Markt, Ober-Piesting und Wöllersdorf gebildet werden."
Ende Oktober 1849 erging an alle mit der Erledigung der Gemeindeangelegenheiten betrauten damaligen Kreisämter ein Erlass, damit innezuhalten und alle Amtsschriften den neu zu errichtenden Bezirkshauptmannschaften zu übergeben. Den neu gegründeten Bezirkshauptmannschaften war die Abgrenzungen der neuen Ortsgemeinden freigestellt, nur durften sie die Grenzen keiner Katastralgemeinde zerreißen.
"Nach langen Verhandlungen, die die neuen Gemeindevorstände mit dem Bezirkshauptmann Anton Schrattenbach führten, gelang es, die Anzahl der Gemeinden im Piestingtal auf 12 zu erhöhen. Die neuen Gemeinden waren: Gutenstein, Pernitz, Muggendorf, Waidmannsfeld, Miesenbach, Peisching, Wopfing, die zusammen mit den Gemeinden Schwarzau und Rohr im Gebirge den Gerichtsbezirk Gutenstein bildeten. Dreistetten, Ober-Piesting, Piesting Markt und Wöllersdorf, die dem Gerichtsbezirk Wiener Neustadt zugeteilt wurden."
Bis zum Jahre 1925 gab es keine Gemeinde Waldegg!
Auf dem Gebiet der heutigen Marktgemeinde Waldegg amtierten vier Bürgermeister und ebenso viele Gemeindevertretungen. Sie verwalteten jene vier Ortsgemeinden, aus denen das heutige "Waldegg" besteht, nämlich Wopfing, Peisching, Dürnbach und Ober-Piesting.
Die Ortsgemeinde Ober-Piesting bestand aus der gleichnamigen Katastralgemeinde. Zur Ortsgemeinde Wopfing zählten die Katastralgemeinden Wopfing und Oed. Zur Ortsgemeinde Peisching gehörten die Katastralgemeinden Peisching und Waldegg, die Ortsgemeinde Dürnbach bestand aus der gleichnamigen Katastralgemeinde und den Rotten Steinbach und Krottenbach. (Eine Rotte ist eine Gruppe von Einzelgehöften ohne erkennbaren Mittelpunkt.)
Im Jahre 1925 vereinigten sich auf freiwilliger Basis die Ortsgemeinde Peisching (letzter Bürgermeister Franz Kuderer) mit der Ortsgemeinde Wopfing (letzter Bürgermeister Karl Winter). Die gleichlautenden Beschlüsse dazu fassten die Gemeindevertretungen von Wopfing und Peisching schon am 28.7.1923 bzw. am 29.7.1923.
am 10. Juli 1925 wurde in der Sitzung des NÖ Landtages auf Vorschlag der NÖ Landesregierung der Zusammenschluss der Gemeinden Peisching und Wopfing genehmigt.
Die neue Gemeinde erhielt den Namen "Waldegg im Piestingtal". Die Piesting, die althistorische Grenze zwischen Österreich und Steiermark, die auch Peisching und Wopfing trennt, hörte nun auf, Gemeindegrenze zu sein.
Anlässlich der Vereinigung fand am 13. Dezember 1925 eine Gemeinderatswahl statt. Gewählt wurden zehn Sozialdemokraten und sechs Vertreter der Wirtschaftspartei (christl.-soz. und großdeutsch). Es waren 1300 Wahlberechtigte, Stimmzettel hatten 1164 Wähler abgegeben; hievon entfielen auf die Sozialdemokraten 696, auf die Wirtschaftspartei 405, auf die unabhängige Arbeiterpartei 59 Stimmen, 4 Stimmzettel waren leer. Die Bürgermeisterwahl fand am 31. Dezember 1925 statt; gewählt wurde Werksmeister Franz Kuderer
(Soz.-Demokr.) mit 9 Stimmen, 7 Stimmzettel wurden leer abgegeben; zum Vizebürgermeister wurde Platzmeister Franz Trofer gewählt.
Und die Gemeinde Waldegg war damit geboren!
Der erste Bürgermeister der neuen Gemeinde war also Franz Kuderer, der letzte Bürgermeister von Peisching.
1927 wurde die Gemeinde "Waldegg an der Piesting" zur Marktgemeinde erhoben.
Die Erfordernisse der neuen Zeit machten das Fortbestehen kleiner Gemeinden immer unvorteilhafter. So kam es zu weiteren freiwilligen Gemeindezusammenschlüssen.
Mit 1. Jänner 1967 vereinigte sich die Ortsgemeinde Dürnbach mit der Marktgemeinde Waldegg. Dürnbach war schon vorher durch den gemeinsamen Pfarr- und Schulsprengel mit der Marktgemeinde Waldegg eng verbunden.
1970 schloss sich Ober-Piesting - nach Befragung seiner Gemeindebürger - an Waldegg an. Auch hier lagen ähnliche Bindungen wie beim Anschluss von Dürnbach vor, denn Ober-Piesting und Wopfing bildeten seit "Ewigkeit" einen gemeinsamen Pfarr- und Schulsprengel. Die oben angeführten gemeinsamen Kirchen und Schulen sind der Ausdruck einer siedlungsgeografischen Einheit. Es ist also kein Wunder, dass diese Gemeinden auch räumlich wieder zusammengewachsen sind. Ein jahrhundertlanges gemeinsames Schicksal förderte eben diese Zusammenschlüsse.
So hat sich Waldegg zu einer Gemeinde entwickelt, die sich heute an die 11 Kilometer das Piestingtal aufwärts erstreckt und auf derem Gemeindegebiet sieben Stationen der Gutensteiner Bahn liegen.